Preisträgerin des Wilhelm Busch Preises 2019 wird Isabel Kreitz

Die Hamburger Comic-Autorin Isabel Kreitz wird mit dem diesjährigen Wilhelm Busch-Preis für satirische und humoristische Zeichenkunst und Versdichtung ausgezeichnet. Der Wilhelm-Busch-Preis wird alle zwei Jahre von der Stiftung Sparkasse Schaumburg, der Schaumburger Landschaft und den Schaumburger Nachrichten verliehen. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert.

Wilhelm Busch gilt als Wegbereiter des modernen Comics. Jahrzehntelang lebte und arbeitete er in seinem Geburtsort Wiedensahl in Niedersachsen. Seine Zeichnungen und sein brillanter Sprachwitz sind bis heute beeindruckend. Der Wilhelm-Busch-Preis würdigt im deutschsprachigen Raum Autorinnen und Autoren, die sich in ihrer Arbeit der künstlerischen Qualität und der Tradition Wilhelm Buschs verbunden und verpflichtet fühlen. Hierbei sind nicht nur deren Fähigkeiten als satirische Erzähler gefragt, sondern vor allem auch eine ästhetisch-hochwertige Zeichenkunst. Bisherige Preisträger waren Robert Gernhardt, F.W. Bernstein, Vicco von Bülow (Loriot), Ernst Kahl, Franziska Becker und Hans Traxler. 2017 hat Ralf König den Wilhelm-Busch-Preis erhalten.
Isabel Kreitz zählt mit ihrem vielschichtigen Comicwerk zu den bekanntesten deutschsprachigen Comic-Autorinnen im In- und Ausland. Das spiegeln auch die zahlreichen Auszeichnungen wieder, die sie bisher erhalten hat, wie 1997 den Deutschen Comicpreis (Comic-Festival Hamburg), 2008 und 2012 den Max-und-Moritz-Preis sowie 2008 und 2011 den Sondermann-Preis.
Isabel Kreitz wurde 1967 in Hamburg geboren und besuchte dort nach dem Abitur 1988 die Fachschule für Gestaltung. 1990 studierte sie an der Parson School in New York, wo sie den Professionalismus der amerikanischen Comic-Zeichner kennenlernte. Die Lust am Comiczeichnen verfestigte sie durch einen Comic-Kurs bei Gérald Gorridge in Erlangen (1991). Sie wirkte im Zeichnerteam der „Ottifanten“ mit und veröffentlichte einige Comic-Kurzgeschichten, z. B. „Fenstersturz“ im Magazin Strapazin 31/1993. Der Durchbruch gelang ihr 1993 mit der Teilnahme an der Gemeinschaftsausstellung Comopoly der INC (Hamburger Initiative Comic Kunst). Nahezu zeitgleich erschien ihre witzige und ironische Stripserie „Heiß + Fettig“, die vom Alltag an einer Hamburger Imbisstube erzählt, in der Bild-Zeitung und 1994 gesammelt als Album. 1994 schloss Isabel Kreitz ihr Studium an der Fachhochschule ab. In ihrer Diplomarbeit mit dem Titel „Schlechte Laune“ verschmelzen zeitgenössische Jugendkultur und Horrorelemente: Der junge S-Bahn-Surfer Ralf erleidet einen schweren Unfall und lebt von nun an als Freak in der Hamburger Kanalisation. Drei weitere Ralf-Alben (1995, 1997, 2003) sollten folgen.

1995 veröffentlichte Isabel Kreitz bei Carlsen das Album „Ohne Peilung“, das Jugendliche mit der NS-Zeit in Hamburg konfrontiert, ein Thema, das sie bis heute beschäftigt. Für die Landeszentrale für politische Bildung (Hamburg) zeichnete sie 1996 ein Comic-Heft, „Unter uns“, das bei aller Unterhaltung vor allem Denkanstöße und politische Mündigkeit förderte, ohne belehrend oder vorschreibend zu sein. Es geht um ein junges Mädchen, das ins Neonazimilieu gerät. Neben eigenen Geschichten widmet sich Isabel Kreitz auch der Adaption. Auf ihre Weise erzählte sie 1996 mit den narrativen und visuellen Möglichkeiten der Bildgeschichte Uwe Timms Roman „Die Entdeckung der Currywurst“. Am bekanntesten sind ihre Adaptionen nach Romanen von Erich Kästner. 2006 erschien das erste Buch, „Der 35. Mai“. Haben ihre Zeichnungen bisher schon ausgewiesen, dass sie stilistisch vielseitig ist, den Cartoon-Strich beherrscht wie realistische und expressive Spielarten, so präsentiert sie die Kästner-Adaptionen als Hommage an Kästners großartigen Illustrator Walter Trier in Annäherung an dessen Zeichenstil.
Brisante, kritische Themen der Vergangenheit wie der Gegenwart weiß Isabel Kreitz in spannend erzählten Geschichten aufzugreifen. Sie unterhalten nicht nur, sondern geben auch reflektierende Anstöße, wie beim Zusammenspiel von Wirtschaftskriminalität und Terrorismus („Waffenhändler“, 1998). Die eher heitere Geschichte um einen Kartoffeln liebenden Koch transportiert das wichtige Thema Entwicklungshilfe („Die Leidenschaften des Herrn Lührs“, 2001, zusammen mit Laura Bartels für die Deutsche Welthungerhilfe). Informativ wie spannend ist ihr umfangreicher Bildroman „Die Sache mit Sorge“ (2008), dessen Protagonist zur Zeit des 2. Weltkrieges in Tokio für den sowjetischen Militärgeheimdienst spioniert. Die Nachkriegszeit, in der sich die Menschen bemühen, wieder in ein „normales“ Leben zu finden, ist Thema des Bildromans „Rohrkrepierer“ (nach Konrad Lorenz, 2015).
Der Leserschaft Informationen und Denkanstöße zu geben, ist ihr wichtig. Das zeigt sich auch in ihrer Serie zu 60 Jahren deutscher Nachkriegsgeschichte, die 2009 in der Frankfurter Rundschau erschien. Die erinnerten Ereignisse aus Politik, Gesellschaft und Kultur erschienen 2011 gesammelt: „Deutschland. Ein Bilderbuch“.
Aber auch die Lust am Erzählen spannender, kruder, mysteriöser Geschichten prägt ihr vielschichtiges Werk, wie ihre mit Eckart Breitschuh und Stefan Dinter geschaffene sechsteilige Heftreihe „Mabuse“ (2000/2002) oder der historische Kriminalfall „Haarmann“ (zusammen mit Peer Meter, 2010) zeigen. Hier reiht sich die Herausgabe der Gruselcomicreihe „Die Unheimlichen“ ein, der sie mit „Den Nachfolgern im Nachtleben“ (nach Sarah Khan, 2018) auch selbst ein lesenswertes Beispiel beisteuert.

Auch wenn Isabel Kreitz sich bescheiden mehr als Handwerkerin denn als Künstlerin sieht – sie hat mit ihrem breit aufgestellten Werk eine künstlerische und narrative Qualität vorgelegt, die beispielhaft die „Neunte Kunst“ als kulturell bedeutsam und anderen Kunstformen gleichrangig ausweist. Die Bildgeschichte in kurzer wie auch in romanhaft langer Form als künstlerisches Werk, das Unterhaltung, Genuss und Denkimpuls vereint, war auch die überragende Leistung Wilhelm Buschs. Isabel Kreitz tritt – ganz in diesem Sinne – würdig in seine Nachfolge.

Bibliografie (Auswahl):

Serie Ralf (Schlechte Laune, 1994; Ralf lebt! 1995; Totenstill, 1997; Gier, 2003), Zwerchfell Heiß + fettig, 1994, Achterbahn
Ohne Peilung, 1995, Carlsen
Unter uns, 1996, Landeszentrale für politische Bildung Hamburg
Die Entdeckung der Currywurst, 1996, Carlsen (nach Uwe Timm)
Waffenhändler, 1998, Carlsen
Mabuse (6 Hefte, 2000 – 2002), Carlsen (zus. mit Eckart Breitschuh und Stefan Dinter) Sushi entdecken, 2004, Carlsen (zusammen mit Junko Iwamoto)
Der 35. Mai (nach Erich Kästner), 2006, Dressler
Die Kunst Single! zu sein. 50 Tricks für SIE, die IHN todsicher vergraulen, 2006, Lappan (zusammen mit Pim Pauline Overgaard)
Die Sache mit Sorge. Stalins Spion in Tokio, 2008, Carlsen
Pünktchen und Anton (nach Erich Kästner), 2009, Dressler
Haarmann, 2010, Carlsen (zus. mit Peer Meter)
Deutschland. Ein Bilderbuch, 2011, DuMont
Rohrkrepierer, 2015, Carlsen (nach Konrad Lorenz)
Das doppelte Lottchen (nach Erich Kästner), 2016, Dressler
Den Nachfolgern im Nachtleben, 2018, Carlsen (nach Sarah Khan)

Mitglieder der Jury des Wilhelm-Busch-Preises:

Prof. Hans-Georg Bögner, SK Stiftung Kultur/SK Stiftung Jugend und Medien der Sparkasse KölnBonn
Prof. Dr. em. Dietrich Grünewald, Kunstdidaktiker, Universität Koblenz-Landau
Martin Jurgeit, Comic-Fachjournalist, u. a. für „buchreport“, Dortmund
Dr. Gisela Vetter Liebenow, Dt. Museum für Karikatur und Zeichenkunst, Hannover

Weitere Informationen

Kaum ein Spion des 20. Jahrhunderts ist ähnlich geheimnis- und legendenumwittert wie Richard Sorge, Stalins Agent an der deutschen Botschaft in Tokio. 1941 sagte er den verbrecherischen Angriff der Deutschen auf die Sowjetunion voraus, doch seine Warnungen wurden ignoriert. Brillant recherchiert und ungemein dicht erzählt, zeichnet Isabel Kreitz in ihrer neuen Graphic Novel das Psychogramm…
nach oben