Caricatures. Spott und Humor in Frankreich von 1700 bis in die Gegenwart

Ab dem 9. Juli zeigt das Museum Wilhelm Busch in der Ausstellung „Caricatures. Spott und Humor in Frankreich von 1700 bis in die Gegenwart“ über 170 Werke französischer Zeichner. Der Bogen spannt sich von Jacques Callot über Honoré Daumier bis zu Jean-Jacques Sempé und den Karikaturisten von Charlie Hebdo. Die Ausstellung ist eine Hommage an die facettenreiche Tradition der französischen Bildsatire und ihren Beitrag zur Presse- und Meinungsfreiheit.

Der Bogen spannt sich von Jacques Callot über Honoré Daumier bis zu Jean-Jacques Sempé und den Karikaturisten von Charlie Hebdo

Nach dem Anschlag auf die Redaktion von „Charlie Hebdo“ im Januar 2015 wurde intensiv darüber diskutiert, ob die Zeichner der französischen Zeitschrift mit ihren Karikaturen das Maß überzogen, Grenzen überschritten hätten. Im Kern ging es dabei um Kurt Tucholskys Frage „Was darf die Satire?“, zugleich aber auch darum, was eine freie Gesellschaft bereit ist, an Provokationen auszuhalten.

Gerade die Geschichte der französischen Karikatur zeigt eindrucksvoll, welch wichtige Rolle die Bildsatire in den vergangenen Jahrhunderten im Kampf um Meinungs-, Kunst- und Pressefreiheit gespielt hat: Karikatur und Satire sind seit jeher Ausdruck und Gradmesser einer aufgeklärten, zum Dialog bereiten Gesellschaft.

Über 170 Werke aus fünf Jahrhunderten

Diese lange französische Tradition bewusst zu machen, ist Ziel der Ausstellung „Caricatures“. Über 170 Werke aus fünf Jahrhunderten wurden dafür ausgewählt: Sie markieren historisch bedeutsame Entwicklungen und geben zugleich Aufschluss über die künstlerische Qualität der französischen Karikatur.

Bereits in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts deckt Jacques Callot in seinen Grafikfolgen soziale Missstände auf und zeigt Menschen am Rand der Gesellschaft: Bettler und Zigeuner, die nichts mehr zu verlieren haben. Er entlarvt Macht und Eros als Triebfedern menschlichen Handelns in seiner dialogisch komponierten Folge „Balli di Sfessania“ – und legt damit die Grundlage für eine Tradition der Bildsatire, die Humor und Spott mit Kritik an gesellschaftlichen Verhältnissen verbindet.

Im Zuge der Revolution von 1789 etabliert sich die politische Karikatur in Frankreich als aktualitätsbezogenes, populäres Printmedium. Neuartig ist die expressive politische Bildsprache, die in den Karikaturen der napoleonischen Kriege und der Restauration weiterentwickelt wurde. Parallel erobern populäre Serien wie „Le Bon Genre“ oder „Le Sûpreme Bon Ton“ das Publikum – mit unterhaltsamen Satiren auf gesellschaftliche Eitelkeiten oder modische Extravaganzen.

Im 19. Jahrhundert ebnet das aufkommende Zeitungswesen der Karikatur den Weg zum Massenmedium

Im 19. Jahrhundert ebnet das aufkommende Zeitungswesen der Karikatur den Weg zum Massenmedium: Das drucktechnische Verfahren der Lithografie erlaubt eine schnelle Produktion von Bildern in hoher Auflage und begünstigt so das Entstehen satirischer Zeitschriften. Ein Meilenstein ist die Gründung von „La Caricature“ durch den Verleger Charles Philipon im Jahr 1830. Künstler wie Grandville und Honoré Daumier üben hier öffentlichkeitswirksam Kritik am französischen König Louis-Philippe und seiner Politik. „La Caricature“ überschreitet damit wiederholt Zensurvorschriften. Die Konsequenz sind drastische Strafen: 1832 muss Honoré Daumier für sechs Monate ins Gefängnis, 1835 wird die Zeitschrift nach Einführung der Bildvorzensur ganz eingestellt.

Über weite Strecken des 19. Jahrhunderts begleitet die Zensur die französische Karikatur, wechseln sich Phasen strikter Verbote mit relativer Pressefrei- heit ab. Satirische Zeitschriften wie „Le Charivari“ nutzen jeden Freiraum und Honoré Daumier schreibt als schonungsloser und scharfer Chronist seiner Epoche Karikaturgeschichte: Er beleuchtet in großen Serien spöttisch das Gebaren und Treiben der Pariser Kleinbürger und demaskiert mit Figuren wie „Robert Macaire“ oder „Ratapoil“ das politische und gesellschaftliche System zwischen Julimonarchie und Zweitem Kaiserreich.

Mit großformatigen, grotesk überzeichneten Porträtkarikaturen macht ab 1865 André Gill zunächst auf dem Titel der satirischen Zeitschrift „La Lune“, später „L’Éclipse“, auf sich aufmerksam und avanciert damit zu einem der bekanntesten – und zugleich von der Zensur immer wieder bekämpften – Karikaturisten seiner Zeit.

Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs dauert die große Zeit der satirischen Zeitschriften

Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs dauert die große Zeit der satirischen Zeitschriften. Anhand ausgewählter Ausgaben von „L’Assiette au Beurre“, „Le Petit Journal“ oder „Le Rire“ wird in der Ausstellung ein Schlaglicht auf die sich darin ausdrückende künstlerische und thematische Vielfalt geworfen. In dieser Tradition stehen heute die Zeichner von „Charlie Hebdo“ mit ihren politischen und gesellschaftskritischen Blättern.

Doch die französische Karikatur hat auch im 20. und 21. Jahrhundert viele Facetten: Sie reicht von Albert Dubouts vergnüglichen Katastrophen bis zur frechen, subversiven Komik eines Tomi Ungerer. Sie kennt ebenso den stillen, heiter-melancholischen Humor eines Jean-Jacques Sempé wie die phantasti- sche Welt Roland Topors oder die unterhaltsamen Gesellschaftssatiren von Claire Brétecher.

Die Exponate der Ausstellung „Caricatures“ stammen zum überwiegenden Teil aus der Sammlung des Museums Wilhelm Busch, die einen reichen Bestand an historischen wie zeitgenössischen französischen Karikaturen vorweist. Ergänzt wird die Auswahl durch Leihgaben von Künstlern und aus Privatbesitz.

Begleitend zur Ausstellung erscheint ein ca. 160-seitiger Katalog mit Beiträgen von Gisela Vetter-Liebenow (Museum Wilhelm Busch), Ursula E. Koch (München), Rolf Reichardt (Gießen) sowie einem Interview mit Asiem El Difraoui (Institut für Medien- und Kommunikationspolitik, Berlin). Der Katalog wird finanziert durch die Ernst von Siemens Kunststiftung.

Mit den Veranstaltungen des Rahmenprogramms holt das Museum französischen Esprit und französische Lebensart an die Leine

Mit den Veranstaltungen des Rahmenprogramms holt das Museum französischen Esprit und französische Lebensart an die Leine. Am 14. Juli findet in Kooperation mit Antenne Métropole und den französischen Kulturvereinen in Hannover eine Feier zum französischen Nationalfeiertag im Palaisgarten statt. Auch das bewährte Veranstaltungsformat „Kultur & Genuss“ wird fortgesetzt und widmet sich an insgesamt sechs Abenden der französischen Esskultur. Die französische Chanson-Sängerin Berangère Palix ist am 24. September zu Gast im Museum.

Veranstaltung

  • Datum 09.07.2016 - 06.11.2016
  • Ort Wilhelm Busch – Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst, Georgengarten, 30167 Hannover

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