“Vielleicht heißt er so!” meinte das Bäuerlein. “Jedenfalls hat ihn eine Natter gebissen, draußen im Wald, und jetzt muß er zum Doktor, und damit gut!” “Er ist ja tot!” rief ich. “Eben drum! Und um so besser für ihn, und damit gut!” erwiderte der Wagenlenker. Er nahm sein munteres Lied wieder auf, aber diesmal ohne Worte, bloß vermittels seines mündlichen Flötenspiels, worin er, wie sich zeigte, eine bedeutende Fertigkeit hatte. Ich, inzwischen, saß etwas unruhig. Ein gewisses eisiges Mißbehagen, in der Richtung von unten her, lief mir den Rücken hinauf bis unter den Hut, so daß ich froh war, kann ich wohl sagen, als wir endlich, so etwa um elf, vor der Behausung des Doktors hielten. Nicht ohne ängstliche Vorurteile begab ich mich langsam humpelnd in das Empfangszimmer. Doktor Schnorz war schon in Tätigkeit. Er sah übrigens gar nicht so grausam aus, wie ich mir vorher gedacht hatte. Im Gegenteil. Seine frische Farbe, seine schwellenden Lippen, seine dicken, schalkhaften Augen, die aufgekrempelten Hemdärmel, die Arbeitsschürze über dem rundlichen Bäuchlein, das alles machte durchaus den Eindruck eines sauberen Metzgermeisters, den jedermann gern hat.
Grad war er dabei, einen Landmann auszuforschen, in dessen Zügen sich tiefe Besorgnis malte. “Wie alt ist denn Euere Frau?” “Na!” meinte der Bauer. “So fünfzig bis sechzig.” “Schlagt das alte Weib tot. Mit der ist nichts mehr zu machen. Adieu!” Als der Bauer, dessen Züge sich völlig erheitert hatten, an mir vorbeiging, hört’ ich ihn sagen: “Das ist noch ein Dokter! Wenn er einsieht, es hilft doch nichts, so erspart er einem die Kosten.” Jetzt kam eine dicke Madam an die Reih. “Ach, Herr Doktor!” fing sie zu klagen an. “Ich weiß nicht, ich bin immer so unruhig. Jede Stund in der Nacht hör’ ich den Wächter blasen, und ich fürcht’ mich so vor Mäusen und schlechten Menschen; das macht gewiß die Nervosität.” “Ein neumodisch Wort!” sprach der Doktor. “Sonst nannte man’s böses Gewissen. Ganz die Symptome. Halten Sie Ihre Zunge im Zaume, meine Gnädige. Seien Sie freundlich gegen Ihre Dienstboten. Viel Wasser! Wenig Likör! Gute Besserung, Madam!” Diese Dame, als sie hinaussegelte, schien mir von den heilsamen Ratschlägen des Doktors Schnorz durchaus nicht befriedigt zu sein.
Und jetzt kam ich. “Ah! rief Schnorz mit freudigem Erstaunen. “Seh ich recht? Erlaubt mal eben. Es ist bloß zur Probe.” Während er diese Äußerungen hinwarf, hatte er mir auch schon die große Zehe abgeschnitten und legte sie unter sein Vergrößerungsglas. “Hab’s gleich gedacht!” sprach er befriedigt. “Der richtige Höllenbrand. Kurzab! Ist das beste.” “Ist’s lebensgefährlich?” fragte ich ängstlich. “Warum das nicht?” erwiderte der Doktor. “Aber seid nur getrost; wenn’s schief geht, wird die Welt zur Not auch ohne Euch fertig werden. Da seht mich an. Heut wenn ich sterb’, ist morgen ein anderer da, und ich freu’ mich schon darauf, daß die Juden kein Geld kriegen.” Hiermit drückte er mich in einen behaglichen Lehnsessel, schnallte mich fest, ergriff ohne weiteres die Säge und ging eifrig ins Geschirr.
Bei jedem Schnitt, den er tat, stieß er ein kurzes, ächzendes Ha! aus. Erst ging es gnatsch! gnatsch ! dann ging es ratz ! ratzl Zuletzt ging es bump! Da! mein Fuß war mich losgeworden. Auch fernerhin verlief die Sach sehr rasch und günstig, so daß der gute Doktor, der mir inzwischen zwei schöne Krücken hatte anfertigen lassen, schon nach vierzehn Tagen sich die Freude machen konnte, mich vor den Spiegel zu führen.
Der, den ich darin erblickte, gefiel mir nicht. Kopf kahl, Nase rot, Hals krumm, Bart struppig; ein halber Frack, ein halbes Bein; surnmasummarum ein gräßlicher Mensch. Und das war ich.