Was mich betrifft - Abschnitt 7/9

Schon zehn Mark vermutlich würden ihm recht sein. Freilich – der Schneider die Fahrt ins Tirol – am End versäuft er’s nur. – Macht nichts. Gib’s ihm halt! – Inzwischen ist er weg ums Eck, für immer unerwischbar.

Schnell eine andere Tür. – Schau, schau! – Zwischen zwei Hügeln, mitten hindurch der Bach, das Dörflein meiner Kindheit. Vieles im scharfen Sonnenlicht früher Eindrücke; manches überschattet von mehr als vierzig vergangenen Jahren; einiges nur sichtbar durch den Lattenzaun des Selbsterlebten und des Hörensagens. Alles so heiter, als hätt’ es damals nie geregnet. Aber auch hier gibt’s arme Leutchen. – Es ist noch die gute, alte Zeit, wo man den kranken Handwerksburschen über die Dorfgrenze schiebt und sanft in den Chausseegraben legt, damit er ungeniert sterben kann, obschon der unbemittelte Tote immerhin noch einen positiven Wert hat; unter anderm für den Fuhrmann, der ihn zur Anatomie bringt. Im Dörflein seitab, hier hinter den trüben Fensterscheiben, da sitzt vielleicht das “Puckelriekchen”. Sie spinnt und spinnt. Auf die Lebensfreuden hat sie verzichtet. Aber drei Tage nach ihrem Tode, da wenigstens möchte sie sich mal so ein recht gemütliches Fest bereiten, nämlich ein ehrliches Begräbnis mit heilen Gliedmaßen, im schwarzlackierten Sarge, auf dem heimatlichen Kirchhofe. Nach dem Professor, der die toten Leute kaputtschneidet, will sie nicht hin; und dann müßte sie sich ja auch so schämen vor den Herren Studenten, weil sie gar so klein und mager und bucklicht ist. Darum bettelt sie und sinnt und spinnt von früh bis spät. – 0 weh! Zu früh schneidet die Parze den Flachs- und Lebensfaden ab. Es hat nicht gelangt. Nun heißt es doch: “Hinein in die ungehobelte Kiste” und “Krischan, spann an”. Und dort fährt er hin mit ihr in der frühen Dämmerung, und wer grad verreisen muß, der kann mit aufsitzen. (Das wäre was gewesen für Tante Malchen, die immer so gern per Gelegenheit fuhr!) Der dort langsam und verdrießlich Holz sägt, das scheint der “Pariser” zu sein. “Eine kalte Winternacht” – so pflegt er auf Plattdeutsch zu sagen – “ein Grenzstein im freien Feld und eine Pulle voll Schluck, das müßte einen bequemen Tod abgeben.” Oder: “Hätt ich nur erst eine Viertelstunde gehängt, mich dünkt, so wollt’ ich gleich mit einem um die Wette hängen, der schon ein ganzes Jahr gehängt hat.” Gegen die erste Manier schützt er Geldmangel vor, gegen die zweite den bedenklichen Anfang. Er zögert und zögert und muß sich zuletzt mit einem gewöhnlichen Tode begnügen, wie er grad vorkommt.

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