Schmetterling - Abschnitt 24

Seine Nägel waren sehr lang, seine Ohren sehr spitz, seine Nase sehr krumm, und auf der Stirn hatte er zwei niedliche vergoldete Bockshörnchen sitzen. Der alte Schlumann war auch da. Er blitzte von Diamanten, spielte aber nicht mit, sondern ging nur schmunzelnd von Tisch zu Tisch. Er schien der Gastgeber zu sein. Gern hätt’ ich noch länger zugesehen, wär’ nicht ein schwarzer Hund mit feurigen Augen um die Ecke gekommen, der fürchterlich bellte, so daß ich mit einem einzigen Satze hinaus vor das Schloßtor hupfte. Hier hielten bereits die Equipagen, um die Herrschaften abzuholen. Die Lakaien, die herumstanden, machten einen soliden, vertrauenerweckenden Eindruck. Sie waren weiß gepudert, glatt rasiert, dick und fett, und jeder trug in großen goldenen Buchstaben einen trefflichen Wahlspruch auf der Livree, der eine “Gut”, der andere “Schön”, der dritte “Wahr”, der vierte “ora”, der fünfte Jabora”, und so ging’s weiter. “Es freut mich” – sagt’ ich -, “solch biedere Leute zu sehn!”
“Mit Recht!” sprach der dickste von allen, dem “Treu und Redlich” am Buckel stand. “Wir sind die guten Grundsätze.”

Gerührt wollte ich ihm die Hand drücken, aber sie war weicher als Butter, und als ich ihm auf die Schulter klopfte, sackte der Kerl zusammen wie ein aufgeblasener Schlauch, wobei ihm die ausströmende Luft geräuschvoll durch sämtliche Knopflöcher pfiff. “Ha, Windbeutel!” rief ich. “Seid ihr denn alle so?” Eh ich dies noch genauer untersuchen konnte, kamen Diener mit Fackeln vom Schlosse her. “Platz für Se. Durchlaucht, den Fürsten dieser Welt !” hieß es. “Mach dich fort, du Lump!” Eilig hupft’ ich die Chaussee entlang. Eine Karosse, hellglühend wie feuriges Gold, kam hinter mir hergerasselt. Drinnen, in die schwellenden Polster gelehnt, saß traulich schäkernd der schwarze Herr bei der Hexe Lucinde. Hintenauf stand “Treu und Redlich”, der fette Lakai, und wurde gerüttelt, daß ihm alle vier Backen wabbelten; und was das Drolligste war, zwischen den Schößen seines Bedientenfracks baumelte neckisch ein Kuhschwanz. Der Anblick reizte mich. In plötzlichem Übermut, mit raschem Griff erfaßt’ ich den Wedel und schwang mich, den rechten Fuß voran, aufs Kutschenbrett. Ebensogut hätt’ ich auch auf die Platte des höllischen Bratofens springen können, wenn grad zugekocht wird für Großmutters Geburtstag.

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Ein Gelächter von seiten Lucindens, als ob sie gekitzelt würde; ein Schrei meinerseits, als ob ich am Spieße steckte; ein Purzelbaum nach hinten; und unten war ich auf der platten Chaussee, in der unglücklichen Lage eines auf den Rücken gefallenen Maikäfers.

Ächzend kroch ich seitab in den Graben. Der Brandschaden war beträchtlich; doch braucht’ ich, um ihn näher zu besichtigen, den Stiefel nicht auszuziehn, denn mein rechter Fuß stand frei zutage, in Gestalt einer einzigen Blase. Infolgedessen hegt’ ich den lebhaften Wunsch, es möchte wer kommen, der mich mitnähme. Endlich, im Morgennebel, näherte sich langsam rumpelnd ein ländliches Fuhrwerk. Vorn, auf einem Bund Stroh, saß das Bäuerlein und sang bereits in aller Früh gar fröhlich und wohlgemut:

Gretelein hupf in die Höh,
Daß ich deine Strümpfe seh,
Weiß wie der Schnee alle zwee
Hopsa, huldjeh!

Und hinter ihm, als einziges Gepäckstück, stand ein langer, schlichter Kasten von Tannenholz.
Kaum bemerkte der gemütvolle Fuhrmann meinen leidenden Zustand, so hielt er still und war mir behilflich, seinen Wagen zu besteigen, wo ich denn auch auf dem Kasten einen recht passenden Sitz fand. Wir waren noch nicht lange gefahren, als sich mein freundlicher Kutscher zu mir umdrehte und sprach: “Ihr habt Glück! Grad fahr’ ich zum Doktor Schnorz in die Stadt. Der versteht’s. Da heißt’s ritschratsch! Und damit gut. Ich bring ihm den da, von Amts wegen.”
Bei den letzten Worten klopfte er mit dem Peitschenstiel auf die Kiste, und weil mir nicht recht klar war, was er meinte, hob ich den Deckel auf. “Der Nazi!” schrie ich entsetzt.

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