Eduards Traum - Abschnitt 16

Sie sahen sehr unternehmend aus und hatten ein großes Wort und sagten, da wollten sie bis Mittag schon droben sein, noch ehe der Löffel ins Warme ginge. Sie erzählten mir auch gleich, wie sie hießen und wo sie her wären und was sie für ein Metier hätten. Es waren vier “gute Vorsätze”. Sie stammten aus einer fetten Gegend, aus Hinnum bei Herrum, wo man die guten Schmalzkücheln backt und die Kirchweih acht Tage dauert. Der eine hieß Willich, der andere hieß Wolltich, der dritte hieß Wennaber und der vierte hieß Wohlgemuth. Willlich hatte eine rote Nase, Wolltich ein rundes Bäuchlein, Wennaber eine schwarze Hornbrille, und wie verdammt hübsch der Wohlgemuth aussah, das wußte er schon selber.
Natürlich fragten sie jetzt auch nach meinen Verhältnissen, worauf ich erwiderte: “Ich bin aus leer, ich denke sehr und weiß noch mehr, wie ich aber heiße, das sag’ ich euch nicht.” “Dann soll er Spirrlifix heißen!” rief der neckische Wohlgemuth. Und darüber lachten die drei andern, daß dem Willich die Nase blau wurde, dem Wolltich drei Knöpfe aus der Weste sprangen und dem Wennaber die Brille anlief vor Freudentränen. Ich war nicht erbaut von solchen Späßen. Ich, schwang mich nach oben und schwebte mindestens drei Meter hoch über der Gesellschaft. Unter lebhaften Gesprächen marschierten sie bergan.

Mittlerweile stieg die Sonne auch höher und schien schon recht warm durch die Bäume. Wolltich, der Dicke, zog seine Joppe aus und hing sie an den Stock; Wohlgemuth fing an zu flöten. “Jungens, rennt nicht so!” sagte Willich “Ich habe mir am linken Hacken eine Blase gelaufen!” “Wenn wir nur kein Gewitter kriegen!” meinte der bedenkliche Wennaber. Unter etwas weniger belebten Gesprächen marschierten sie bergan. Inzwischen stieg die Sonne noch höher und schien brühwarm durch die Bäume. Willich blieb stehen. “Was meint ihr zu dieser?” sprach er lächelnd und zog eine bedeutende Flasche hervor. Wolltich blieb auch stehen. “Was meint ihr zu der?” sprach er schmunzelnd und zog eine noch bedeutendere Wurst aus dem Ranzen. Wennaber blieb stehen. “Wenn wir nur nicht” – fing er zögernd an, aber Wohlgemuth, der ebenfalls stehengeblieben, schnitt ihm das Wort ab und rief freudig: “Heraus mit der Klinge!” und klappte unternehmend sein Taschenmesser auf.
Dann suchten sie sich ein kühles Plätzchen, breiteten ihre Schnupftücher auf den Rasen und servierten das Frühstück. Ich setzte mich auf einen dürren Ast und sah zu. “Spirrlifix, komm runter!” rief mir der gutmütige Wolltich zu und zeigte die Wurst her, und Willich schwenkte die Flasche. Ich dankte. Ich war erhaben über dergleichen. “Wer nichts mag, ist der Beste!” scherzte Wohlgemuth, und das brachte Wolltich ins Lachen, und dann kriegte dieser einen Hustenschauer, und der ängstliche Wennaber klopfte ihm den Rücken, daß er nur wieder zu Atem kam.

Und nun langten sie zu und zeigten, was sie konnten und daß sie tatkräftige Leute waren, wenn’s ernstlich drauf ankam. Willich ließ den Wein leben, Wohlgemuth die Weiber, und Wennaber fing an: “Es lebe die Weis -” aber ehe er ausgesprochen, schrie Wolltich: “Es lebe die Wurst!” Darauf, als sie sich ausreichend erquickt hatten, marschierten sie unter den lebhaftesten Gesprächen wieder bergan. Inzwischen stieg die Sonne so hoch, wie sie nur konnte. Fast perpendikulär von oben blickte sie durchdringend auf die Schädel der Wanderer. Das Gespräch stockte. Die Schritte erlahmten. Zuerst blieb Willich zurück. Rechts vom Wege stand ein dicker Baum. Hinter diesen setzte sich Willich, zog seinen Iinken Schuh aus und rieb sich überhaupt mit Hirschtalg ein. Dann blieb Wolltich zurück. Rechts vom Wege stand noch ein dicker Baum. Hinter diesen setzte sich Wolltich. Wennaber und Wohlgemuth, welche nichts davon gemerkt hatten, marschierten schweigsam bergan. Wir zogen am Rande eines sandigen Abhangs hin, der sich bis unten ins Tal erstreckte, und befanden uns nun an einer Stelle, von wo man eine dankbare Aussicht nach links hatte. Am Fuße des Berges sah man deutlich das reizende Etablissement liegen, welches ich in der Frühe verlassen hatte. Es tönte Musik herauf. Es war Gartenkonzert. jetzt blieb Wohlgemuth auch zurück. Rechts am Wege stand noch ein dritter dicker Baum. Hinter diesen stellte sich Wohlgemuth, kriegte sein Perspektiv heraus, und als er durch dasselbe bemerkte, daß unten im Garten viele hübsche Mädchen saßen, schob er’s wieder ein, schlich sich an den Abhang und ließ sich hinunterrutschen.

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