Zu guter Letzt

Erstausgabe: 1904

Dies für den und das für jenen. Viele Tische sind gedeckt. Keine Zunge soll verhöhnen, Was der andern Zunge schmeckt. Lasse jedem seine Freuden, Gönn ihm, daß er sich erquickt, Wenn er sittsam und bescheiden Auf den eignen Teller blickt. Wenn jedoch bei deinem Tisch er Unverschämt dich neckt und stört, Dann so gib ihm…
Der Fährmann lag in seinem Schiff Beim Schein des Mondenlichts, Als etwas kam und rief und pfiff; Doch sehen tat er nichts. Ihm war, als stiegen hundert ein. Das Schifflein wurde schwer. Flink, Fährmann, fahr uns übern Rhein, Die Zahlung folgt nachher. Und als er seine Pflicht getan, Da ging es klinglingling, Da warf ein…
Gestützt auf seine beiden Krücken, Die alte Kiepe auf dem Rücken, Ging durch das Dorf ein Bettelmann Und klopfte stets vergeblich an. Erst aus dem allerletzten Haus Kam eine gute Frau heraus, Die grad den dritten Mann begraben, Daher geneigt zu milden Gaben, Und legt in seines Korbes Grund Ein Brot von mehr als sieben…
Nirgend sitzen tote Gäste. Allerorten lebt die Kraft. Ist nicht selbst der Fels, der feste, Eine Kraftgenossenschaft? Durch und durch aus Eigenheiten, So und so zu sein bestrebt, Die sich lieben, die sich streiten, Wird die bunte Welt gewebt. Hier gelingt es, da mißglückt es. Wünsche finden keine Rast. Unterdrücker, Unterdrücktes, Jedes Ding hat seine…
Ob er gleich von hinnen schied, Ist er doch geblieben, Der so manches schöne Lied Einst für uns geschrieben. Unser Mund wird ihn entzückt Lange noch erwähnen, Und so lebt er hochbeglückt Zwischen hohlen Zähnen.
Willst du gelobt sein, so verzichte Auf kindlich blödes Wesen. Entschließ dich, deine himmlischen Gedichte Den Leuten vorzulesen. Die Welt ist höflich und gesellig, Und eh man dich beleidigt, Sagt wohl ein jeder leicht, was dir gefällig, Denn keiner ist beeidigt.
In der ersten Nacht des Maien Läßt’s den Hexen keine Ruh. Sich gesellig zu erfreuen, Eilen sie dem Brocken zu. Dorten haben sie ihr Kränzchen. Man verleumdet, man verführt, Macht ein lasterhaftes Tänzchen, Und der Teufel präsidiert.
Wenn die Tante Adelheide Als Logierbesuch erschien, Fühlte Fritzchen große Freude, Denn da gab es was für ihn. Immer hat die liebe Gute Tief im Reisekorb versteckt Eine angenehme Tute, Deren Inhalt köstlich schmeckt. Täglich wird dem braven Knaben Draus ein hübsches Stück beschert, Bis wir schließlich nichts mehr haben Und die Tante weiterfährt. Mit…
Der Bauer sprach zu seinem Jungen: Heut in der Stadt, da wirst du gaffen. Wir fahren hin und seh’n die Affen. Es ist gelungen Und um sich schief zu lachen, Was die für Streiche machen Und für Gesichter Wie rechte Bösewichter. Sie krauen sich, Sie zausen sich, Sie hauen sich, Sie lausen sich, Beschnuppern dies,…
Sie ist ein reizendes Geschöpfchen, Mit allen Wassern wohl gewaschen; Sie kennt die süßen Sündentöpfchen Und liebt es, häufig draus zu naschen. Da bleibt den sittlich Hochgestellten Nichts weiter übrig, als mit Freuden Auf diese Schandperson zu schelten Und sie mit Schmerzen zu beneiden.
Wohl tausendmal schon ist er hier Gestorben und wieder geboren, Sowohl als Mensch wie auch als Tier, Mit kurzen und langen Ohren. Jetzt ist er ein armer blinder Mann, Es zittern ihm alle Glieder, Und dennoch, wenn er nur irgend kann, Kommt er noch tausendmal wieder.
Rötlich dämmert es im Westen, Und der laute Tag verklingt, Nur daß auf den höchsten Ästen Lieblich noch die Drossel singt. Jetzt in dichtbelaubten Hecken, Wo es still verborgen blieb, Rüstet sich das Volk der Schnecken Für den nächtlichen Betrieb. Tastend streckt sich ihr Gehörne. Schwach nur ist das Augenlicht. Dennoch schon aus weiter Ferne…
Ganz unverhofft an einem Hügel Sind sich begegnet Fuchs und Igel. Halt, rief der Fuchs, du Bösewicht! Kennst du des Königs Ordre nicht? Ist nicht der Friede längst verkündigt, Und weißt du nicht, daß jeder sündigt, Der immer noch gerüstet geht? Im Namen seiner Majestät, Geh her und übergib dein Fell. Der Igel sprach: Nur…
Zwiefach sind die Phantasien, Sind ein Zauberschwesternpaar, Sie erscheinen, singen, fliehen Wesenlos und wunderbar. Eine ist die himmelblaue, Die uns froh entgegenlacht; Doch die andre ist die graue, Welche angst und bange macht. Jene singt von lauter Rosen, Singt von Liebe und Genuß, Diese stürzt den Hoffnungslosen Von der Brücke in den Fluß.
Schon viel zu lang Hab ich der Bosheit mich ergeben. Ich lasse töten, um zu leben, Und bös macht bang. Denn niemals ruht Die Stimme in des Herzens Tiefe, Als ob es zärtlich klagend riefe: Sei wieder gut. Und frisch vom Baum Den allerschönsten Apfel brach ich. Ich biß hinein, und seufzend sprach ich Wie…
Mein Sohn, hast du allhier auf Erden Dir vorgenommen, was zu werden, Sei nicht zu keck; Und denkst du, sei ein stiller Denker. Nicht leicht befördert wird der Stänker. Mit Demut salbe deinen Rücken, Viel Ehrfurcht hast du dich zu bücken, Mußt heucheln, schmeicheln, mußt dich fügen; Denn selbstverständlich nur durch Lügen Kommst du vom…
Stark in Glauben und Vertrauen, Von der Burg mit festen Türmen Kannst du dreist herniederschauen, Keiner wird sie je erstürmen. Laß sie graben, laß sie schanzen, Stolze Ritter, grobe Bauern, Ihre Flegel, ihre Lanzen Prallen ab von deinen Mauern. Aber hüte dich vor Zügen In die Herrschaft des Verstandes, Denn sogleich sollst du dich fügen…
Durch das Feld ging die Familie, Als mit glückbegabter Hand Sanft errötend Frau Ottilie Eine Doppelähre fand. Was die alte Sage kündet, Hat sich öfter schon bewährt; Dem, der solche Ähren findet, Wird ein Doppelglück beschert. Vater Franz blickt scheu zur Seite. Zwei zu fünf, das wäre viel. Kinder, sprach er, aber heute Ist es…
Auguste, wie fast jede Nichte, Weiß wenig von Naturgeschichte. Zu bilden sie in diesem Fache, Ist für den Onkel Ehrensache. Auguste, sprach er, glaub es mir, Die Meise ist ein nettes Tier. Gar zierlich ist ihr Leibesbau, Auch ist sie schwarz, weiß, gelb und blau, Hell flötet sie und klettert munter Am Strauch kopfüber und…
Ein Künstler auf dem hohen Seil, Der alt geworden mittlerweil, Stieg eines Tages vom Gerüst Und sprach: Nun will ich unten bleiben Und nur noch Hausgymnastik treiben, Was zur Verdauung nötig ist. Da riefen alle: Oh, wie schad! Der Meister scheint doch allnachgrad Zu schwach und steif zum Seilbesteigen! Ha! denkt er, dieses wird sich…
Von Fruchtomletts, da mag berichten Ein Dichter aus den höhern Schichten. Wir aber, ohne Neid nach oben, Mit bürgerlicher Zunge loben Uns Pfannekuchen und Salat. Wie unsre Liese delikat So etwas backt und zubereitet, Sei hier in Worten angedeutet. Drei Eier, frisch und ohne Fehl, Und Milch und einen Löffel Mehl, Die quirlt sie fleißig…
Suche nicht apart zu scheinen, Wandle auf betretnen Wegen. Meinst du, was die andern meinen, Kommt man freundlich dir entgegen. Mancher auf dem Seitensteige Hat sich im Gebüsch verloren, Und da schlugen ihm die Zweige Links und rechts um seine Ohren.
Es gibt ja leider Sachen und Geschichten, Die reizend und pikant, Nur werden sie von Tanten und von Nichten Niemals genannt. Verehrter Freund, so sei denn nicht vermessen, Sei zart und schweig auch du. Bedenk: Man liebt den Käse wohl, indessen Man deckt ihn zu.
Ich bin mal so, sprach Förster Knast, Die Flunkerei ist mir verhaßt, Doch sieht man oft was Sonderbares. Im Frühling vor fünf Jahren war es, Als ich stockstill, den Hahn gespannt, Bei Mondschein vor dem Walde stand. Da läßt sich plötzlich flügelsausend Ein Kranichheer, wohl an die tausend, Ganz dicht zu meinen Füßen nieder. Sie…
Sei es freundlich, sei es böse, Meist genügend klar und scharf Klingt des Mundes Wortgetöse Für den täglidlen Bedarf. Doch die Höchstgefühle heischen Ihren ganz besondern Klang; Dann sagt grunzen oder kreischen Mehr als Rede und Gesang.
Wie hat sich sonst so schön der Hahn Auf unserm Turm gedreht Und damit jedem kundgetan, Woher der Wind geweht. Doch seit dem letzten Sturme hat Er keinen rechten Lauf; Er hängt so schief, er ist so matt, Und keiner schaut mehr drauf. Jetzt leckt man an den Finger halt Und hält ihn hoch geschwind.…
Geld gehört zum Ehestande, Häßlichkeit ist keine Schande, Liebe ist beinah absurd. Drum du nimmst den Junker Jochen Innerhalb der nächsten Wochen. Also sprach der Ritter Kurt. Vater, flehte Kunigunde, Schone meine Herzenswunde, Ganz umsonst ist dein Bemühn. Ja, ich schwörs bei Erd und Himmel, Niemals nehm ich diesen Lümmel, Ewig, ewig hass ich ihn.…
Wie dunkel ist der Lebenspfad, Den wir zu wandeln pflegen. Wie gut ist da ein Apparat Zum Denken und Erwägen. Der Menschenkopf ist voller List Und voll der schönsten Kniffe; Er weiß, wo was zu kriegen ist Und lehrt die rechten Griffe. Und weil er sich so nützlich macht, Behält ihn jeder gerne. Wer stehlen…
Ein eigner Kerl war Krischan Bolte. Er tat nicht gerne, was er sollte. Als Kind schon ist er so gewesen. Religion, Rechtschreiben und Lesen Fielen für ihn nicht ins Gewicht; Er sollte zur Schule und wollte nicht. Später kam er zu Meister Pfriem. Der zeigte ihm redlich und sagte ihm, Jedoch umsonst, was seine Pflicht:…
Zwei Knaben, Fritz und Ferdinand, Die gingen immer Hand in Hand, Und selbst in einer Herzensfrage Trat ihre Einigkeit zutage. Sie liebten beide Nachbars Käthchen, Ein blondgelocktes, kleines Mädchen. Einst sagte die verschmitzte Dirne: Wer holt mir eine Sommerbirne, Recht saftig, aber nicht zu klein? Hernach soll er der Beste sein. Der Fritz nahm seinen…
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